Von vollen Auftragsbüchern und leeren Lagern
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Bewegungsmelder – die vielseitigen Alltagshelfer
Aktuelle Themen, spannende Trends und starke Meinungen: Stephan Dörrschuck, CEO von Kopp, gibt Ihnen mit seiner Kolumne „Dörrschucks Notizen“ jeden Monat exklusive Einblicke in das Herz der Elektrobranche. Sein Thema heute: Aktuelle Herausforderungen rund um Supply Chains.
Es klingt zu schön um wahr zu sein: Das deutsche Elektrohandwerk ist bisher gut durch die Coronakrise gekommen, die Branche konnte sogar in 2020 und 2021 ein Wachstum generieren – beim Umsatz und auch bei den Beschäftigtenzahlen. Corona hat offenbar eine Vielzahl von Haushalten zu Umbaumaßnahmen und vermehrter Heimwerkerei verleitet. Die zunehmende Digitalisierung sowie starke Konjunkturpakete haben die Auftragsbücher von Baufirmen, Handwerksbetrieben und der gesamten Elektrobranche kräftig gefüllt. Leider bereiten aktuell einige grundlegende Entwicklungen der gesamten Industrie Kopfzerbrechen: Materialknappheit, Lieferengpässe und Preissteigerungen.
Denn der starke unerwartete Aufschwung, der uns allen eigentlich Jubelrufe entlocken sollte, hat die Nachfrage nach Rohstoffen und Vorprodukten weltweit in die Höhe getrieben. Egal ob Elektronik, Bauteile, Kunststoffe, Holz, Chemikalien oder Textilien – der Bedarf kann aktuell kaum mehr bedient werden. Die Lager sind leer und Nachschub wird nur mit massiven Verzögerungen geliefert. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Natürlich wiegen die weltweiten Produktionsstillstände während der Hochphasen der Coronapandemie am schwersten, aber auch logistische Strukturen und – kaum zu glauben, aber wahr – das Wetter spielen eine zentrale Rolle. So hat Anfang 2021 ein heftiger Wintereinbruch in Texas die dortige Öl- und Erdgasförderung und damit die Polymer- und Kunststoffproduktion für einen riesigen Markt nahezu lahmgelegt. Hinzu kommt ein strukturelles Problem, nämlich die Schifffahrt, auf die der Großteil des weltweiten Import- und Exportgeschäfts fußt. Die gigantischen Frachter, die aus Kostengründen seltener fahren und nur noch wenige, geeignete Häfen anlaufen, dafür aber mittlerweile unvorstellbare Mengen an Containern transportieren können, blieben zuhauf in den Häfen liegen – und mit ihnen die so dringend benötigten Waren. (Da war der „festgefahrene“ Suezkanal übrigens nur ein Tropfen auf den heißen Stein.) Wie in allen anderen Industriezweigen mussten auch Hersteller aus der Elektrobranche daher bereits ihre Produktion drosseln und Aufträge stornieren – welch ein Paradox.
Aus der Materialknappheit resultiert nun eine starke Preissteigerung, die in unserer Branche vor allem Produkte aus den Bereichen Gebäudeautomation, erneuerbare Energien, Elektrogeräte und Beleuchtung betrifft. Natürlich können die höheren Preise nicht einfach an die Kunden weitergegeben werden, was vor allem kleinere Elektroinstallationsbetriebe in eine schwierige Lage bringt. Denn im Grunde sind sie damit gezwungen, sich zwischen Vertrauens- oder Auftragsverlusten seitens der Auftraggeber und dem Aufbürden der finanziellen Last zu entscheiden – ein Tiefschlag bei gleichzeitig bester Auftragslage.
Was also tun? Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die Rohstoff- und Vorprodukthersteller die Probleme in den Lieferketten nicht mit weiteren Preissteigerungen befeuern würden, sondern alles dafür täten, die Produktionsrückstände wieder aufzuholen. Gleichzeitig ist jedes Unternehmen in der Verantwortung, eigene Wege zu finden, mit der Materialknappheit umzugehen – sei es über Verschlankungen im Produkt- oder Verpackungsdesign, weitsichtige Planung im Einkauf oder die Schaffung von Synergien. Wir bei Kopp etwa arbeiten kontinuierlich auf nachhaltigere und ressourcenschonendere Lieferketten hin und setzen dabei beispielsweise auf die Verarbeitung spezieller Kunststoffgranulate, auf die Suche nach alternativen Materialien und Lieferanten und natürlich auf eine vorausschauende logistische Planung sowohl beim Einkauf als auch bei der Lieferperformance. Trotz aller Herausforderungen in dieser paradoxen Situation bin ich sehr optimistisch, dass die Branche mit der Energie und dem Tatendrang des Aufschwungs auch diese Krise meistern wird. Denn wie heißt es so schön? Not macht erfinderisch.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und bleiben Sie gesund
Ihr Stephan Dörrschuckrrschuck